SHR-Report: Die Grundschuld … „ein scharfes Schwert“

  1. Hintergrund

Die Qualifizierung der Grundschuld als „ein scharfes Schwert“ stammt von dem früheren Vorsitzenden Richter des für Bankensachen zuständigen XI. BGH Senats. Hintergrund war die umfangreiche und heftige Auseinandersetzung zwischen Bankjuristen über die Zulässigkeit des Verkaufs von Darlehens-Paketen durch Hypothekenbanken an Finanzinvestoren unter gleichzeitiger Abtretung der hierfür bestellten Grundschulden.

Die Hypo Real Estate Bank AG – die „bad bank“ des HVB-Konzerns – hatte im Jahr 2004 ein Kreditpaket im Volumen von nom. 3,6 Mrd € an die „Heuschrecke“ – die US-amerikanische Investorengruppe Lone Star – verkauft. Nachfolgend waren die ca. 5000 Darlehensnehmer rigorosen Zwangsverwertungsmaßnahmen ausgesetzt. Hiervon betroffen waren auch erstmalig zahlreiche Darlehensnehmer, die ihre Verpflichtung zur Zahlung von Zins und Tilgung vertragsgemäß erfüllt hatten.

Die Käuferin der Darlehensforderungen – eine auf den Bermudas ansässige Inkassogesellschaft LSF 5.Olympic LLC – hatte rigoros ihren „Businessplan“ umgesetzt, sich über die Vollstreckung aus den GS-Bestellungsurkunden die Grundstücke anzueignen bzw. die vollen Verkehrswerte zu realisieren.

Die Rechtsprechung agierte hilflos und stand unter dem Druck der Banken und Investorenlobby. Das einzige Urteil auf Einstellung der Zwangsvollstreckung konnte unsere Kanzlei vor dem 5. Senat des OLG München am 26.02.2008 erwirken ( 5 U 5102 ). Die kritischen Stimmen auf Seiten der Wissenschaft und von Anwaltsseite sowie dem Vorsitzenden Richter i.R. Herbert Schimansky fanden kein Gehör.

Das „Geschäftsmodell“ – Realisierung von Grundstückswerten – ist aktueller denn je !

 

  1. Grundschuld – die Risiken

Jeder Häuslebauer oder Immobilieninvestor hat im Zusammenhang mit der Immobilienfinanzierung den Banken als Sicherheiten Grundschulden bestellt. Dies war bis zum Jahr 2003 weitgehend risikolos, da sich die finanzierenden Banken an ihre Verpflichtungen als Gläubigerin der bestellten Grundschulden gehalten haben. Nur so ist erklärlich, dass noch heute die Risiken bei Bestellung einer Grundschuld nahezu unbekannt sind.

 

  1. Abstraktes Sicherungsrecht

Die „Väter“ des BGB hatten für die Immobilienfinanzierung durch Banken als Sicherheit die „Hypothek“ (§§ 1113 ff BGB) vorgesehen. Die Hypothek war zu den identischen Konditionen wie das zugrunde liegende Darlehen eingetragen und reduzierte sich als sog „akzessorisches“ Sicherungsrecht analog der geleisteten Tilgung.

 

Im Jahr 1974 hatte der Gesetzgeber im Hypothekenbankgesetz neben der Hypothek auch die abstrakte Grundschuld als Sicherungsmittel zugelassen, ohne die hieraus entstehenden Konsequenzen zu erkennen. Seit dieser Zeit spielt die Hypothek in der Immobilienfinanzierung keine Rolle mehr.

Was bedeutet „abstrakt“ ?

Anders als die Hypothek begründet die Grundschuld eine eigenständige dingliche Forderung gegenüber dem Sicherungsgeber. Diese dingliche Forderung ist allein maßgeblich bei der Verwertung der Grundschuld in der Zwangsvollstreckung. Die Höhe der besicherten Darlehensforderung ist ohne Relevanz. Mit anderen Worten:

Auch wenn das Darlehen bereits in voller Höhe zurückgezahlt ist, kann der Grundschuldgläubiger nach wie vor die Forderung einschließlich dinglicher Zinsen in voller Höhe „aus dem Grundstück“ geltend machen. Im Fall der Abtretung muss den neuen Grundschuldgläubiger die aktuelle Höhe der besicherten Darlehensschuld nicht interessieren. Die Durchsetzbarkeit der Grundschuldforderung in voller Höhe ist unproblematisch.

 

  1. Vollstreckbarer Titel

Die Durchsetzung der Grundschuldforderung wird durch die notarielle Grundschuldbestellungsurkunde gewährleistet. In der Grundschuldbestellungsurkunde unterwirft sich der Sicherungsgeber der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Grundschuld. Weiterhin ist dort geregelt, dass – ungeachtet einer Tilgungsvereinbarung – die dingliche Grundschuldforderung sofort fällig ist.

 

Aus der Grundschuldbestellungsurkunde kann auch unmittelbar in das private Vermögen des Grundschuldbestellers vollstreckt werden. Neben der Bestellung der Grundschuld und Eintragung ins Grundbuch gibt der Sicherungsnehmer ein eigenständiges abstraktes Schuldanerkenntnis iHd des Grundschuld–Hauptsachebetrages und der meist in der Größenordnung von 10-15% vereinbarten dinglichen Zinsen ab.

 

Diese rechtliche Konzeption eröffnet u.a.. im Fall der Abtretung der Grundschuld und Aushändigung der Grundschuldbestellungsurkunde dem Missbrauch „Tür und Tor“:

Der neue Grundschuldgläubiger kann umgehend die Zwangsversteigerung in das Grundstück und in das private Vermögen des Sicherungsgebers aus der volle Höhe des Grundschuldbetrages sowie der thesaurierten dinglichen Zinsen betreiben – auch wenn dieser positive Kenntnis über die vollständige oder teilweise Tilgung der ursprünglich besicherten Forderung hat.

 

  1. strukturelle Übersicherung

Die Bestellung einer Grundschuld begründet von Anfang an eine strukturelle Übersicherung des Grundschuldgläubigers und Sicherungsnehmers (=Bank). Die mit 10 bis 15% vereinbarte Verzinsung

wird dem GS-Kapital zugeschlagen:

Sind 15% vereinbart, so hat die Grundschuld nach 4 Jahren bereits einen Sicherungs- und Vollstreckungswert iHv. 160%.

 

  1. freie Abtretbarkeit

Die im BGB gesetzlich getrennten Ebenen des Schuldrechts (Darlehensvertrag) sowie des Sachenrechts (abstrakte Grundschuld) haben zur Folge, dass die Grundschuld unabhängig von der besicherten Forderung isoliert abgetreten werden kann (§ 1154 BGB). Die Abtretung ist wirksam – ungeachtet möglicher Schadenersatzansprüche gegenüber der abtretenden Bank.

 

 

III. die Sicherungsabrede

Die Klammer zwischen der abstrakten Forderung aus der Grundschuld /abstraktem Schuldanerkenntnis und dem Darlehen bildet die sog. Sicherungsabrede oder Sicherungsvertrag zwischen Darlehensnehmer und Bank:

ein eigenständiger schuldrechtlicher Vertrag, der auch formlos oder stillschweigend zwischen Bank und Darlehensnehmer begründet wird. Bei Geschäftsbanken ist die Sicherungsabrede als „Zweckerklärung“ bezeichnet. In den älteren Hypothekenbankverträgen ist die Sicherungsabrede nur lückenhaft in den Allgemeinen Kreditbedingungen geregelt.

 

Ungeachtet der wirtschaftlichen Bedeutung dieses Vertrages existiert keine gesetzliche Regelung über den Sicherungsvertrag. Die einzelnen Rechte und Pflichten aus der Sicherungsabrede wurden im Wesentlichen durch die BGH- und obergerichtliche Rechtsprechung definiert.

 

  1. Treuhandpflichten der Bank

Als Sicherungsnehmerin hat die Bank auf Grund in Ziff. II dargestellten Rechtslage sofortigen formellen Zugriff auf das Grundstück und das private Vermögen des Sicherungsgebers. Theoretisch könnte die Bank auch in dem Fall, dass das Darlehen überhaupt nicht ausgereicht wurde, sofort Vollstreckungsmaßnahmen einleiten.

Gegenüber der Bank ist der Darlehensgeber jedoch durch den in der Sicherungsabrede vereinbarten Sicherungszweck sowie dem hieraus resultierenden Rückgewähranspruch geschützt. Die Bank ist verpflichtet, die Sicherheit „Grundschuld“ und „abstraktes Schuldanerkenntnis“ treuhänderisch zu verwalten und von der Realisierung der Sicherheit nur Gebrauch zu machen, wenn die hierfür bestehenden Bedingungen wie z.B. die wirksame Kündigung des Darlehens und Vollstreckungsandrohung erfüllt sind. Andernfalls könnte sich die Bank Schadenersatzansprüchen und den strafrechtlichen Vorwurf der Untreue gem. § 266 StGB aussetzen.
Da die Banken diese Verpflichtungen in der Vergangenheit überwiegend beachtet haben, realisierten sich in der Praxis ( bis ca. 2003 ) die oben aufgezeigten Risiken nicht.
Dies änderte sich, seit dem Banken zur Entlastung ihrer Kreditportfolios oder zur Refinanzierung oder – wie im Fall der HRE Bank – zur Abwendung der Insolvenz die Darlehensforderungen und Grundschulden an Inkassofirmen oder sonstige Dritte verkaufen. Die neuen „Grundschuldgläubiger“ unterliegen weder den stringenten gesetzlichen Regularien für Banken, weiterhin nicht den

AGB-Banken noch unterliegen sie der Bankenaufsicht durch das BaFin. Die schuldrechtliche Sicherungsabrede bleibt ungeachtet der Abtretung nur zwischen Bank und Sicherungsgeber bestehen. Der neue Grundschuldgläubiger ist hieran nicht gebunden.

 

 

  1. Risikobegrenzungsgesetz 2008

Die Beschwerden der Bürger über das rigorose Vorgehen der Lone Star Gruppe aktivierte nach entsprechenden Interventionen auch unserer Kanzlei einige engagierte Abgeordnete des Bundestages.

Im Finanzausschuss des BT wurde im September 2007 über das „Risikobegrenzungsgesetz“ („lex Lonestar“) beraten. Der Unterzeichner trat als einer der 5 Sachverständigen auf Verbraucherseite

der geballten Finanzlobby und einem sperrigen Finanzminister gegenüber. Das verabschiedete Gesetz brachte marginale Verbesserungen. So konnten dem neuen GS-Gläubiger die „Einwendungen“ aus dem Sicherungsvertrag mit der Bank „entgegengehalten“ werden ( § 1193 Abs. 1a BGB), ohne dass dieser in die Vertragspflichten eintreten musste. Theoretisch könnte die Regelung Schadensersatzanprüche begründen, die in der Praxis nicht durchsetzbar sind :

Es ist wenig hilfreich, wenn der neue Grundstücksgläubiger Inhaber einer „Pizza“-Kette ist ( tatsächlicher Fall in unserer Kanzlei !),der weder der deutschen Sprache hinreichend mächtig ist noch eine Vorstellung von dem Begriff „Sicherungsabrede“ hat. Dies gilt auch für den auf den Bermudas ansässigen „Investor“ oder die zahlreichen anderen „Inkasso“-Verwerter!

Weitere gesetzliche Regelungsvorschlägen wurde massiv abgeblockt. U.a. auch die Regelung, den vertragstreuen Darlehensnehmer vor der Abtretung zu informieren und Gelegenheit zu geben, das Kreditengagement durch Umschuldung auf eine andere Bank abzulösen.

 

  1. Probleme in der Zwangsvollstreckung

Für den Darlehensnehmer und Sicherungsgeber ergeben sich im Fall der Einleitung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen schwierige Hürden. In der Zwangsvollstreckung durch die Bank gelten noch die Treuepflichten aus dem Sicherungsvertrag und das Gebot zur Rücksichtnahme auf die Belange des Sicherungsgebers (§ 17.1 AGB Banken). Gegenüber dem neuen Grundschuldgläubiger ist der Sicherungsgeber nahezu schutzlos, soweit nicht der schwierige Nachweis einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB) geführt werden kann.

 

  1. Grundschuldforderung allein maßgeblich

Vollstreckungstitel ist allein die Grundschuldbestellungsurkunde und maßgeblich im ZV-Verfahren die dingliche Grundschuldforderung. Der Einwand, die gesicherte Schuld voll getilgt zu haben, ist für den Rechtspfleger unbeachtlich. Der Versteigerungserlös wird in der Rangfolge der Grundschulden zunächst auf die dinglichen Zinsen und dann Grundschuld-Hauptsachebetrag zugeteilt. Auch wenn der Zwangsversteigerungserlös die Restschuld deutlich übersteigt, so ist dies im Rahmen des ZV-Verfahrens ohne Relevanz.

 

  1. kein Auskunftsanpruch nach Kündigung des Darlehens

Mit Kündigung des Darlehens wird das Kreditverhältnis beendet. Der noch offene Kreditbetrag wandelt sich in eine „normale“ Forderung der Bank, die zum Verzugszins mit 5% über Basis – beim Verbraucherdarlehen mit 2,5% über Basis – zu verzinsen ist. Soweit die Bank zunächst die Zwangsverwaltung betreibt oder anderweitige Sicherheiten wie Lebensversicherungen o.ä. auflöst oder sonstige Zahlungen von Dritten auf die Forderung verrechnen kann, besteht das Problem der genauen Feststellung der Schuld. Der Darlehensnehmer erhält keine Kontoauszüge oder Jahreszinsbestätigungen. Nach der weitgehend unverständlichen Rechtsprechung des BGH besteht kein Auskunftsanspruch auf Offenlegung der vereinnahmten Zahlungen und Verrechnung dieser Forderungen auf Hauptsache, Zinsen, Kosten o.ä.

Die Beweislast für die vollständige oder teilweise Tilgung der Forderung der Bank – etwa zum Zweck der Ablöse der Restforderung – liegt allein beim Schuldner.

 

  1. Vollstreckungsgegenklage

Die Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage gem. § 767 ZPO ist ebenfalls mit erheblichen Problemen behaftet. Der Streitwert der Klage ist grundsätzlich der Grundschuld-Hauptsachebetrag ungeachtet der valutierenden Restforderung.

 

Für die einstweilige Einstellung der Vollstreckung ( 769 ZPO ) ordnen die Gerichte die Stellung einer Bankbürgschaft als Sicherheit iHd Grundschuldbetrages an, obgleich die Bank über eine werthaltige Sicherheit verfügt und hieraus vollstreckt.

 

Der Einwand der inzwischen erfolgten Erfüllung der Forderung ist angesichts der Beweislast zu Lasten des Schuldners häufig nicht zu führen.

 

Die Klage gegen den neuen Grundschuldgläubiger nach Abtretung ist noch deutlich problematischer. Der Bestand der schuldrechtlichen Forderung ist irrelevant. Der Gläubiger kann die volle Grundschuldforderung einschließlich thesaurierter dinglicher Zinsen geltend machen. Soweit dieser horrende Betrag zur Abwehr der Zwangsvollstreckung geleistet wird, kann nachträglich ein Bereicherungsanspruch gegenüber den bonitätsschwachen Gläubigern geltend gemacht werden.

 

  1. wichtige Tipps für Darlehensnehmer
  2. Abtretbarkeit der Grundschuld ausschließen

Bis zum Jahr 2003 galt bei Notaren, Rechtsanwälte und auch den Banken die zutreffende Rechtsmeinung, dass die für die „Bank“ als Geschäftspartner des Vertrauens bestellte Grundschuld nicht abgetreten werden durfte. Ausnahme war der Verwertungsfall nach Kündigung des Darlehens oder ggf Abtretung an eine andere Bank mit gleich hohem Schutzniveau. Inzwischen haben Banken und Sparkassen in die Kreditbedingungen häufig eine Klausel enthalten, die zur Abtretung der Grundschuld berechtigen.
Diese Klausel sollte– auch im Fall bereits bestehender Darlehensverträge – abbedungen werden.
Das Argument der Banken, man müsse sich refinanzieren und deshalb die Abtretbarkeit ermöglichen, ist verfehlt. Selbstverständlich müssen sich Banken oder Sparkassen refinanzieren. Hierzu bedarf es keiner formellen Abtretung der Grundschuld. Neben der treuhänderischen Verwaltung der Grundschuld für den Refinanzierer stehen hier eine Reihe von anderen Instrumentarien zur Verfügung.

 

Im Grundbuch bleibt die Bank als Grundschuldgläubigerin eingetragen.

 

  1. nach Kündigung Zahlungseingänge kontrollieren

Nach Kündigung des Kredits erhält der Darlehensnehmer keine Kontoauszüge oder sonstige Saldenbestätigungen mehr. Umso wichtiger ist es, alle Zahlungszuflüsse an die Bank – wie etwa eine Auszahlungsbestätigung einer LV, bekannte Mieteingänge im Rahmen der Zwangsverwertung oder sonstige Zahlungen zu erfassen und in ein eigenes Forderungskonto unter Berücksichtigung der Verzinsung einzustellen. Die entsprechenden Programme sind heute problemlos im Internet ( u.a. bei „Interhyp“) abrufbar. Das Forderungskonto ist unter Beachtung der gesetzlichen Verrechnungsvorschriften gem. § 497 BGB und der maßgeblichen Verzinsung gem. § 503 Abs. 2 BGB (2,5% über dem Basiszins) zu führen.

  1. Rückgewähransprüche rechtzeitig anmelden

Rückgewähransprüche in geschätzter Milliardenhöhe gehen den Schuldnern verloren, da diese nach erfolgter Zwangsvollstreckung nicht geltend gemacht und durchgesetzt werden. Nach erfolgter Zwangsvollstreckung besteht der Anspruch des Schuldners auf Rechnungslegung und Abrechnung der Forderungen. Diese Ansprüche unterliegen der Verjährung und müssen ausdrücklich geltend gemacht werden.

  1. Der wichtigste Tipp:

Rechtzeitig und bereits im Fall der Störung des Kreditverhältnisses bei Aussetzung von Zins- und Tilgungszahlungen o.ä fachlichen Rat einholen und das Risiko der Zwangsverwertung vermeiden.

Dr. Ingo Schulz-Hennig