SHR – Report: Neue Hürden für die Aufnahme von Immobilienkrediten – verfassungswidrig ?

SHR Report: Neue Hürden für Aufnahme von Immobilienkrediten –verfassungswidrig?

Mit der vom Bundestag am 21.03.2016 verabschiedete Umsetzung der EU-Richtlinie ber
Wohnimmobilien-Kreditverträge (2014/17/EU ) wurden seit über 100 Jahren bewährte
Prinzipien der privaten Immobilienfinanzierung im Interesse einer Harmonisierung in der EU
aufgegeben. Nach der Neuregelung ist
• der Beleihungswert der zu finanzierenden Immobilie ist nicht mehr der entscheidende
Maßstab für die Höhe der Kreditvergabe – anders als bisher in dem 1899 in Kraft
getretenen Hypothekenbankgesetzes (HBG – seit 2005 Pfandbriefgesetz) geregelt ;
• von dem Kreditinstitut zu prüfen, dass die Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag über
die gesamte Laufzeit im Hinblick auf Zahlung von Zinsen und Tilgungen sichergestellt
werden –eine im deutschen Recht kaum umsetzbare Regelung. Bei einer Tilgungsrate von
2% des Darlehens beträgt die Laufzeit des Darlehens ca. 25 Jahre. Dagegen sind
regelmässige Tilgungen in der Mehrzahl der europäischen Staaten und den USA unüblich.
Weiterhin wurden bankrechtliche Aufsichts- und Ordnungsvorschriften systemfremd im BGB
verankert.
1. Banken- und Sparkassen-Verbände und Medienecho
Erst nach Verabschiedung der Neuregelungen in den ausufernden Gesetzestexten der §§ 505a ff
BGB gab es lautstarke Beschwerden der Vertreter der Banken, Sparkassen- und
Genossenschaftsbanken über die neuen Restriktionen bei der Kreditvergabe. Anderseits hat es
an einer massiven Gegenwehr der Banken im Vorfeld der Verabschiedung der Gesetze gefehlt.
Die Stellungnahme des Bankenverbandes vom 13.02.2015 zu der 152 Seiten umfassenden
Gesetzentwurf ( BT Drucksache 18/5922 ) umfasste gerade einmal 9 Seiten.
Die kritische Resonanz in den Medien war gewaltig, nachdem die Konsequenzen aus den neuen
Regularien erkennbar waren – zu spät, „das Kind war bereits in den Brunnen gefallen “.

2. Hintergrund : notleidende Immofinanzierungen in den USA und Europa
In der Begründung der EU-Richtlinie wird u.a. auf die Immobilienkrise in den USA ab 2008
verwiesen – überhaupt nicht relevant für die Situation in Deutschland. Die US-Krise wurde durch

die Vergabe von sog. „subprime“ Krediten ausgelöst. Unter Ausnutzung einer angeblichen
Steigung der Immobilienwerte wurden dubiose Kredite vermittelt, die überwiegend in den
Konsum flossen.
Auch in Europa haben zahlreiche Länder wie u.a. Spanien, Italien etc. vergleichbare riskante
Finanzierungen ausgereicht, die u.a. zu der Schieflage der dortigen Banken und Sparkassen
geführt haben (> siehe den Kommentar im Newsletter ). Für die Stabilisierung der Finanzmärkte
in diesen europäischen Länder war die Verabschiedung der EU-Richtlinie zur Einführung
belastbarer Standards sinnvoll und erforderlich. Das Gegenteil galt und gilt für Deutschland.
3. Die neuen gesetzlichen Bestimmungen
Einmal mehr wurde das BGB mit ellenlangen und zT. mühsam leserlichen Gesetzestexten
überfachtet. Neben sinnvollen Regelungen wie der Begrenzung der Vorfälligkeitsentschädigung
(§ 502) sind in den §§ 505a ff BGB umfangreiche Ordnungsvorschriften enthalten, die an die
Kreditinstitute gerichtet sind und deren Entscheidungsspielraum bei der Vergabe von
Immobiliendarlehen einengen. Umfangreiche Regelungen zur Kreditwürdigkeitsprüfung
einschliesslich Regelungen über Sanktionen sind im BGB fehl am Platze. Die Kontrolle der
Kreditinstitute bei der Vergabe von Krediten ist im öffentlichen Recht verortet und im
Kreditwesengesetz (KWG, Verordnungen und Richtlinien der BaFin.) zu regeln. Gesetzliche
Regelungen zur Grundstücksbewertung enthält umfassend das Pfandbriefgesetz, auf dessen
Regelungen hätte verwiesen werden können. Den Grundsatz „pacta sunt servanda“ gesetzlich zu
normieren, mag in der EU notwendig sein (§ 505a Abs, 1 S.2 BGB :„ dass keine erheblichen
Zweifel.. bestehen, dass der Darlehensnehmer seinen Verpflichtungen, dem Zusammenhang mit
den Darlehensvertrag stehen, vertragsgemäß nachkommen wird“), ist im deutschen Zivilrecht
fehl am Platze !
4. Grundschuld und Tilgungsprinzip
In Deutschland ist die gesetzliche Systematik der vom Darlehensvertrag unabhängigen
abstrakten Grundschuldbesicherung (> Report: „die Grundschuld- ein scharfes Schwert“)
einzigartig. Der in Grundschuld-Bestellungsurkunde vereinbarte Grundschuldbetrag zzgl.der
dinglichen Zinsen ermöglicht dem Kreditinstitut – etwa im Falle des Verzuges- den Zugriff auf die
Immobilie und zusätzlich über ein abstraktes Schuldanerkenntnis auch auf das gesamte
Vermögen des Darlehensnehmers.
In den USA sowie meisten Europäischen Ländern einschließlich Österreich und Schweiz ist das in
Deutschland zwingend vorgeschriebene Tilgungsprinzip unüblich. Das Darlehen wird lediglich
verzinst und wird während der vereinbarten oder prolongierten Vertragsdauer nicht getilgt.
Dagegen muss ein Immodarlehen in Deutschland zwingend regelmässig getilgt werden. Bei der
üblichen Vereinbarung von 2% Tilgung zzgl. ersparter Zinsen beträgt die Vertragsdauer bei

entsprechenden Prolongationen ca. 25 Jahren. Der Darlehensnehmer darf frühesten nach Ablauf
von 10 Jahren kündigen ( > newsletter: „Kündigung von Bausparverträgen“ ) Die Prüfung, dass von
den Darlehensnehmern die Pflichten aus dem Vertrag für die gesamte Laufzeit eingehalten
werden können (§ 505a Abs.1 S.2 BGB n.F.), kollidiert mit dem durch das Tilgungserfordernis
begründete langen Dauer der Darlehensverträge und ist in der Praxis kaum umsetzbar.
Die Offenlegung der aktuellen Einkommensverhältnisse ist nur eine Zeitaufnahme, die mit dem
Risiko zukünftiger Änderung des Einkommens, Arbeitslosigkeit oder anderen Gründen belastet
ist. Der 70 jährige Rentner, der sein Haus renovieren oder altersgerecht umbauen will, wird nicht
den Nachweis, dass der Vertrag die gesamte Dauer von 25 Jahren bis zum 95 Lebensjahr
eingehalten werden kann, erbringen können. Das Kreditinstitut ist ausreichend durch die
Grundschuld und den Wert der Immobile gesichert.

5. Fazit: überflüssig -verfassungswidrig ?
Das BGB enthält in vielen Regelungsbereichen Bestimmungen, die den häufig strukturell
unterlegenen „Verbraucher“ schützen. Das gilt unter anderem für das Mietrecht,
Arbeits-/Dienstrecht, den Regelungen der Allgemeinen Geschäfts-und Vertragsbedingungen usw.
Die gesetzlichen Neuregelungen für Immobiliendarlehen sind dagegen
„verbraucherfeindlich.

Grundsätzlich steht es jedem Kreditinstitut frei, unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben zur Kreditvergabe
im KWG, den BaFin-Richtlinien über die Ausreichung eines Darlehens unter Berücksichtigung der
individuellen Verhältnisse zu entscheiden. Die Regelung im BGB schränkt unangemessen die
durch Art. 2 GG garantierten Vertragsfreiheit für beide Vertragsparteien ein, ist im BGB fehl am
Platze und wirkt gegenüber älteren Darlehensnehmern im Sinne von Artikel 3 GG
diskriminierend (Artikel 3 Absatz I + III GG).

Die erst 2010 novellierten gesetzlichen Regelungen zum Verbraucherkredit wurden auf dem
„Altar der EU- Gleichmacherei“ geopfert und ohne Ausschöpfung der zulässigen
Ausnahmebestimmungen für nationale Regelungen umgesetzt.

RA Dr. Schulz-Hennig