SHR-Ratgeber: Grundschuldhaftung und Zwangsvollstreckung

( Hinweis : Der Beitrag stellt eine allgemeine Information der SHR-Rechtsanwälte und keine Rechtsberatung dar ! Die Haftung für den Inhalt wird ausgeschlossen )

1. Grundschuld und Darlehensvertrag
Die Besicherung von Darlehen mit Grundpfandrechten ( engl. mortgage ) ist in international verbreitet.
Speziell nach deutschem Recht stellt die Grundschuld aber ein weitaus gefährlicheres Instrument zur Darlehenssicherung als ausländische Grundpfandrechte dar. Das im Jahre 1900 in Kraft getretene BGB unterscheidet zwischen schuldrechtlichen Verträgen, die nur zwischen den Vertragsparteien Rechte und Pflichten begründen wie z.B. Darlehensverträge ( Buch 2 Schuldrecht : §§ 488ff BGB ) und abstrakten Rechtspositionen wie Eigentum und auch Grundschulden ( Buch 3 Sachenrecht §§ 1191 ff BGB ), die gegen jedermann wirken.

Dieses komplizierte Konstrukt des deutschen Zivilrecht hat zur Folge, dass die mit dem Darlehensvertrag begründeten Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Gläubiger ( Bank, Sparkasse u.a.) unabhängig von den dinglichen Forderungen aus der Grundschuld auf Kapital- und dinglichen Grundschuldzinsen bestehen.

Die Zwangsversteigerung wird ausschliesslich aus den dinglichen Forderungen aus der Grundschuld einschliesslich Grundschuldzinsen betrieben ! Weder der Valutenstand noch die im Darlehensvertrag vereinbarten Zinsen spielen im ZV-Verfahren eine Rolle.

2. Die Grundschuld-Bestellungsurkunde – das gefährliche Instrument
Die Grundschuld ( „GS“ ) wird üblicherweise auf einem von der Bank gestellten Formular vom Notar beurkundet. In dieser Urkunde werden zwei eigenständige Erklärungen abgegeben:
• In Ziff. 1 wird die Grundschuld iHd. Hauptsache-Betrages , der dinglichen Zinsen meist zwischen 8% und 16 % sowie eine pauschale Kostenübernahme für Vollstreckungsmaßnahmen bestellt;
• Ziff. 2 enthält ein abstraktes Schuldanerkenntnis ( § 780 BGB ) mit Übernahme der persönliche Haftung in Höhe des Grundschuldbetrages einschließlich dinglicher Zinsen.
• Weiterhin ist geregelt, dass die Ansprüche aus Ziff. 1 und 2 sofort fällig sind und der Grundschuldbesteller sich der sofortigen Zwangsvollstreckung aus der Urkunde unterwirft.

Mit anderen Worten:
ein böswilliger Grundschuldgläubiger könnte sofort die ZV in das Grundstück beantragen und zusätzlich in das persönliche Vermögen des Grundschuldbestellers vollstrecken, ohne auch nur € 1 ausbezahlt zu haben. In unserer Praxis durchaus relevant gewesen bei „Privaten Kapitalgebern“, „Grundschuld-Aufkäufern“ oder unseriösen sog. Investoren („Heuschrecken“) !

→ siehe hierzu unseren Beitrag: „Die Grundschuld – ein scharfes Schwert“

3. Wann darf die Bank oder Sparkasse die Vollstreckung einleiten ?
Die Kündigung des Darlehens ist keine Voraussetzung zur Einleitung der ZV. Es reicht aus, wenn wesentliche Rückstände iHv. mindestens 2 monatlichen oder quartalsmäßigen Annuitäten bestehen und die Vollstreckung nach einer Zahlungsaufforderung gesondert ankündigt wurde.
4. Was prüft das Vollstreckungsgericht ?
Der Rechtspfleger beim Vollstreckungsgericht prüft die Formalien der vollstreckbaren GS-Bestellungsurkunde: u.a. die Legitimation des GS-Gläubigers, die ordnungsgemäße Beurkundung, die Zwangsvollstreckungsklausel und rechtzeitige Zustellung an den Schuldner. Danach wird das Grundbuchamt zur sofortigen Eintragung des ZV-Vermerks aufgefordert.

5. Sicherungsabrede und Vertragsbedingungen
Die Verknüpfung zwischen Grundschuld und dem Darlehensvertrag erfolgt durch die sog. Sicherungsabrede, die entweder in den Vertragsbedingungen oder in einer gesonderten Vereinbarung ( enge oder weite Zweckerklärung ) geregelt ist. Mit der Sicherungsabrede wird der sog. Rückgewähranspruch begründet .Die Bank ist danach verpflichtet, die Grundschuld ( nach umfangreicherer Tilgung auch teilweise ) an den Sicherungsgeber herauszugeben bzw. löschen zu lassen ( AGB Banken Nr. 16 ( 2 ).
Zusätzlich gelten das Gebot der Rücksichtnahme auf den Sicherungsgeber (AGB Banken Nr. 17 (1); AGB Sparkassen Nr. 21 (5) ) – in der Praxis ein „stumpfes Schwert“.
Die Möglichkeiten zur Wahrung der eigenen Rechte werden erheblich erschwert, sofern die GS für eine ausländische Bank bestellt oder an im Ausland ansässige Gesellschaften abgetreten werden. Die schuldrechtlichen Verpflichtungen der Bank aus der Sicherungsabrede gehen nicht automatisch auf den neuen GS-Gläubiger über.

6. SHR Empfehlungen und Hinweise
Die Abtretung von Forderungen aus einem ordnungsgemäß bedienten Darlehen unter gleichzeitiger Abtretung von GS-Bestellungsurkunden war bis 2005 undenkbar und nach SHR Rechtsauffassung eindeutig rechtswidrig. Mit dem ersten Sündenfall der Abtretung eines Immobilien-Darlehenspakets in nom. Höhe von € 3,6 Mrd durch die „Pleitebank“ Hypo Real Estate ( HRE ) an die „Lone Star“ – Gruppe – einem aggressiven Investor mit Sitz in Dallas und ca. 100 Briefkastenfirmen auf Bermuda – kam das Geschäftsmodell des Verkaufs von Darlehensbeständen nur zum Zweck der Verwertung der Immobilien in Gang. Aus diesem Grunde einige Empfehlungen und Hinweise:
• vereinbaren sie beim Abschluss des Darlehensvertrages den ausdrücklichen Ausschluss der Abtretung der Grundschuld. Dieser Ausschluss gilt nicht nach Kündigung des Darlehens ( Eintritt des Verwertungsfalls ) und Abtretung der GS an ein Inkasso-Institut oder sonstigen Dritten.
• Verlassen sie sich nicht darauf, daß sie alle Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag eingehalten haben und in Zukunft werden. Das Geschäftsgebaren zahlreicher deutscher Banken und früherer Hypothekenbanken wird durch deren schlechte finanzielle Situation, die Notwendigkeit zur Bereinigung des Kreditportfolios , der intensivierten Aufsicht durch EU und BaFin oder dem Zwang zur Abwicklung der Institute diktiert und führt zu einem stringenten Verwertungsdruck auch im Hinblick auf die Verwertung von Sicherheiten.
• Zur Reduzierung des GS-Risikos sollte nach Tilgung eines nicht unerheblichen Darlehensbetrages die nach der BGH-Rechtsprechung zulässige Teillöschung der GS verlangt werden
• sobald die GS-Bestellungsurkunde zugestellt wird, ist sofortiges Handeln erforderlich;
• bestehen Rückstände bei den Annuitäten, sollte sofort Kontakt mit der Bank aufgenommen und ggf. eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Tilgung – nicht der Zinszahlung !- vereinbart werden..
• Droht die Eintragung des ZV-Vermerks im Grundbuch, könnte eine Vereinbarung über die freihändige Verwertung der Immobilie getroffen werden. Der Eintrag des ZV-Vermerks führt in der Regel zu einem erheblichen Wertverlust der Immobilie. Verhandlungen über eine Ablösefinanzierung durch eine andere Bank sind extrem erschwert, da Banken keine Kredite an Personen vergeben dürfen, gegen die Vollstreckungsmaßnahmen in Gang gesetzt sind ( § 18a Abs.1 KWG )
• An die Begründung eines innerhalb von 2 Wochen zu stellenden Antrags auf vorläufige Einstellung der ZV gem. § 30a ZVG werden erhebliche Anforderungen gestellt.
• Gegen die ZV kann gerichtlich im Wege der Vollstreckungsabwehrklage gem. § 767 ZPO kombiniert mit einer Einstweiligen Anordnung gem. § 769 ZPO vorgegangen werden. Die Erhebung dieser Klage ist nur bei guten Erfolgsaussichten zu empfehlen. Es entstehen erhebliche Kosten, da generell der Hauptsachebetrag der GS- als Streitwert zugrunde gelegt wird ( s.o. Empfehlung zur Teillöschung ). Für den Antrag gem. § 769 ZPO wird regelmäßig ( aber sinnwidrig ) die Stellung einer Sicherheit / Bankbürgschaft iHd. des Grundschuldbetrages angeordnet.

gez. Dr. Schulz-Hennig
Rechtsanwalt